Bauernland in Spekulantenhand – Der Bericht des Landesrechnungshofes zum Grundverkehr schreit nach politischen Konsequenzen

Der nun vorliegende Endbericht des Landesrechnungshofes bestätigt ein Systemversagen im Vollzug zum grünen Grundverkehr im Pinzgau. Verantwortlich für dieses Desaster ist die Landesregierung als oberstes Vollzugsorgan. Weitreichende Konsequenzen für eine rasche Normalisierung und Schadensbegrenzung sind ebenso unabdingbar, wie eine genaue Untersuchung der politischen Verantwortung.

Die ab 2013 vom Rechnungshof untersuchte Handhabung des Grundverkehrs im Pinzgau erfolgte laut Bericht weitgehend unter Missachtung des Gebotes der Rechtstaatlichkeit. Somit passt das exakt in das von der ÖVP auf allen politischen Ebenen Österreichs gezeichnete Sittenbild, das in den vergangenen Monaten zu Tage kam und zu nachhaltigen Veränderungen nicht nur personeller Art führte. Auch der Vorsitzende der Grundverkehrskommission des Pinzgaus hat inzwischen seine Funktion zurückgelegt. Ob freiwillig oder nicht, es kommt einem Schuldeingeständnis gleich.

Der zuständige ÖVP-Agrarlandesrat Josef Schwaiger möchte sich nun mit einem neuen Gesetz davonstehlen. Doch damit ist es nicht getan. Es gilt die Rechtstaatlichkeit in diesem Vollzugsbereich umgehend wiederherzustellen, unzählige Verfahren zu untersuchen und gegebenenfalls zu korrigieren, sowie die im Sinne echter Landwirte von der SPÖ und der Arbeiterkammer längst geforderten Verbesserungen umzusetzen.

SPÖ stets als konstruktive Opposition aufgetreten

Bereits am 11. Dezember 2019 stellte die SPÖ einen dringlichen Antrag im Landtag, der neben Forderungen zur Verbesserung des Salzburger Raumordnungsgesetzes konkrete Punkte zur Verbesserung des Salzburger Grundverkehrsgesetzes enthielt:

  • Einkommensnachweise per Steuerbescheide;
  • Nachweis der Landwirteeigenschaft bei jedem Kauf, statt der geltenden Regel „einmal Bauer – immer Bauer“;
  • Erleichterungen für einbietende Landwirte durch eine Internetplattform statt lediglich Aushang an der Gemeindetafel;
  • Transparente Vorgangsweise bei Entlandwirtschaftung durch Umwidmung; usw.

Mit einer verwässerten Formulierung zu Verbesserungen in beiden Gesetzen wurden diese Punkte jedoch von den Regierungsfraktionen abgedreht und tauchten bis heute nicht mehr auf. In der jüngst vorgelegten Rohfassung eines neuen Grundverkehrsgesetzes war gar die Rede davon, dass der Einkommensnachweis der Landwirte aus der Landwirtschaft überhaupt entfallen solle.

„Diese erste Gesetzes-Rohfassung gäbe es wahrscheinlich gar nicht, wäre nicht der vernichtende Rechnungshofbericht ins Haus gestanden. Denn auch auf konkrete Vorschläge eines Antrages der Arbeiterkammer-Vollversammlung, der einstimmig von allen Fraktionen im Herbst zur Verbesserung des Grundverkehrsgesetzes angenommen wurde und auch an ÖVP-Agrarlandesrat Josef Schwaiger übermittelt wurde, gab es keinerlei Reaktion“, sagt SPÖ-Landtagsklubvorsitzender Michael Wanner.

„Wie man für eine solche Rohfassung eine Stellungnahme der Landtagsfraktionen verlangen kann, wie dies jüngst ÖVP-Generalsekretär Wolfgang Mayer machte, ist mir schleierhaft. Es liegt kein Gesetzesentwurf samt Stellungnahmefrist vor. Einen Offenbarungseid wie ihn Mayer sich wünscht, muss die ÖVP leisten. Ist sie doch durch hunderte Parteigänger in all diese Grünlandkäufe tief verstrickt“, so Wanner. “Wichtiger ist ein korrekter, gesetzeskonformer Vollzug und jene Fälle zu sichten, für die durch noch geltende Fristen eine Chance auf Rückabwicklung besteht.“

Michael Wanner: „Klären, ob es strafrechtliche Verfehlungen gab“

Da es sich bei dem vom Landesrechnungshof aufgezeigten Systemversagen um hunderte Fälle handelt, die oft in gleich mehreren Punkten nicht dem Grundverkehrsgesetz und den allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrens entsprechenden abgewickelt wurden, kann man nicht von Einzelirrtümern sprechen. Die SPÖ lässt nun juristisch prüfen, ob hier strafrechtliche Tatbestände gesetzt worden sind.

„Es wird an der Justiz liegen, strafrechtlich relevanten Verdachtsmomenten nachzugehen und dafür zu sorgen, dass Grundverkäufe ohne Rechtsgrundlage rückabgewickelt werden. Unsere Aufgabe als Opposition ist es, die politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und aufzudecken, ob und inwiefern schwarze Seilschaften von diesen Machenschaften profitiert haben“, konkretisiert SPÖ-Landtagsklubvorsitzender Michael Wanner.

Fatale Realitätsverweigerung der Landesregierung

Salzburger Medien berichteten ab 2019 quasi nonstop von dubiosen Projekten zugunsten fremder Anleger, bei denen viele wertvolle Grünflächen versiegelt wurden. Reihenweise wandten sich zudem betroffene Landwirt:innen und erzürnte Bürger:innen an ÖVP-Agrarlandesrat Schwaiger oder auch an die alsbald eigens neu eingerichtete Stabsstelle. Doch Landesrat Schwaiger wurde seiner eigenen Aussage in den Salzburger Nachrichten nach erst misstrauisch, als die zuständigen Behörden im Pinzgau keine Zahlen zu einer Anfragebeantwortung an die SPÖ betreffend die Grünlandkäufe von Nichtlandwirten lieferten. Das war im Februar 2020.

„Nicht einmal in den vergangenen beiden Jahren wurden von der ÖVP-geführten Landesregierung Anstrengungen unternommen, ihre Rechte und Pflichten als Aufsichtsbehörde wahrzunehmen. Laut Rechnungshofbericht soll es seit 2013 überhaupt nur ein einziges Mal zum Informationsaustausch zu Grundverkehrsagenden zwischen der Grundverkehrskommission, der Agrarabteilung und dem Agrarressort von Schwaiger gekommen sein. Das entspricht nicht den Erfordernissen einer aufsichtsbehördlichen Tätigkeit, auch wenn die Landesamtsdirektion das nun im Endbericht des Landesrechnungshofs so darstellen möchte, und somit die Schuld schlussendlich auf die Beamtenschaft abzuwälzen versucht“, sagt Wanner.

Pinzgauer Netzwerke

„Während der Landesrechnungshof in Quervergleichen diese Missstände in den anderen Bezirken nicht konstatierte, dürfte sich im Pinzgau das System der Grundverkehrsentscheidungen verselbständigt haben. Bemerkenswerterweise ist von Seiten der Bezirksbauernkammer ein Vertreter bereits in der dritten Periode zu je fünf Jahren Mitglied der Grundverkehrskommission. Zehn Jahre davon war diese Person Bürgermeister einer Pinzgauer Gemeinde. Gerade in dieser Gemeinde finden sich dubiose Grünlandkäufe von Nichteinheimischen (siehe nachfolgende Beispiele),“ erklärt SPÖ-Abgeordnete Karin Dollinger.

Egal ob durch falsch zusammengesetzte Kommissionen, fehlende Recherchen und Gutachten oder mangelnde Dokumentation, die Grundverkehrsverfahren wurden laut Rechnungshof nicht rechtskonform abgewickelt. Für die mangelnde Dokumentation will man nun offensichtlich einzelne Mitglieder der Kommission verantwortlich machen, anstelle sie beim rechtskundigen Leiter der Grundverkehrskommission zu suchen. Dieser weist in einer Art Wutbrief alle Schuld von sich (siehe Beilage des Endberichtes).

Definition von Grünland

„Besonders abstrus ist, dass der erfahrene ÖVP-Agrarlandesrat seinen eigenen Aussagen in ‚Salzburg Heute‘ zufolge nun eine Definition für Grünland ins Grundverkehrsgesetz aufnehmen will („… denn, wir wissen nicht, was Grünland ist …“; ORF, 08.02.2022). Das zeigt einerseits, dass die Arbeit offensichtlich wirklich schwierig zu bewältigen war, wenn nach Jahrzehnten des Vollzugs des Grundverkehrsgesetzes 2001 nicht einmal solche wichtigen Grundlagen eindeutig seien. Andererseits wird es wohl auch künftig zu Verwirrungen kommen, wenn der im Salzburger Raumordnungsgesetz eindeutig definierte Begriff ‚Grünland‘ nun mit Hilfe des zuständigen Landesrats Schwaiger, der ja auch für die Raumordnung in Salzburg politisch zuständig ist, womöglich im Grundverkehr anders fest- und ausgelegt würde,“ sagt Dollinger.

In den vergangenen Jahren sind daher zahllose Grünlandflächen in die Hände von Nicht- oder Scheinlandwirten gelangt, die diese horten oder verbauen. Gleichzeitig trieb man reihenweise echte Landwirt:innen in Existenzprobleme, da ihre Grundstücke billig abgeworben oder gar versteigert wurden. Die Besitzfestigungsgenossenschaft, die das abfedern hätte können, kam laut Anfragebeantwortung einer SPÖ-Landtagsanfrage nie wirklich zum Einsatz.  
 
Interessensvertretung von wem?

„Die Landwirtschafts- und Bezirksbauernkammer ist gefragt, jenen zig Landwirt:innen zu ihrem Recht und Verbleib am Hof zu helfen, bzw. dieses Recht wiederherzustellen, die uns seit Wochen die Tür einrennen, statt Investoren weitere Käufe zu ermöglichen. Die vielfach gelebte Doppelrolle als Stelle, die zwar nicht wie vorgesehen die Landwirteeigenschaft bestätigt, aber dann in der Grundverkehrskommission selbst dem Rechtsgeschäft zustimmt, ist für Menschen mit Gerechtigkeitssinn schwer nachvollziehbar“, fasst Dollinger zusammen.

Wanner: „Landeshauptmann muss Beteiligte zur Raison bringen“

„Anstatt sich um Schadensbegrenzung und Wiederherstellung eines geordneten Vollzugs zu bemühen, versuchen nun alle Beteiligten von der Landesregierung mit Unterstützung der Landesamtsdirektion, über Landesrat Schwaiger bis zum ehemaligen Leiter der Grundverkehrskommission sich an anderen abzuputzen. Es wird sogar der unabhängige Landesrechnungshof angegriffen und dessen Kompetenz und Zuständigkeit in Frage gestellt. Es ist unerträglich, dass die von der Bundes-ÖVP vorgelebte Aggression gegen die Justiz und unabhängige Einrichtungen nun offenbar auch in Salzburg Eingang findet. Gerade hier beim Ausverkauf unserer Heimat und Gefährdung unserer demokratiepolitischen Eckpfeiler sollte dem Auftrag von Altlandeshauptmann Haslauer ‚Passt mir auf mein Salzburg auf!‘ dringend Folge geleistet werden. Wilfried Haslauer muss die Beteiligten zur Raison bringen“, fordert SPÖ-Klubchef Wanner.

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